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Weihnachten in Schlesien

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Gefunden in Herziges

Weihnachten in Schlesien

Wenn die Osterzeit für uns Kinder mit Fröhlichkeit verbunden
war, so war das Nikolausfest weniger beliebt. Das einzige, was uns daran
erfreute, waren die eventuell zu erwartenden Geschenke. Dass man dafür auch
etwas leisten musste, war unangenehm, manchmal sogar gefürchtet. Man musste ein
Gebet aufsagen können, man wurde nach dem Betragen gefragt, nach den
Schulzeugnissen und vieles mehr. Besonders die Möglichkeit, über die Rute
springen zu müssen, wurde ängstlich befürchtet. Mein Vater verstand es, für uns
Kinder immer ein schönes Nikolausfest zu organisieren. Wie ich später erfahren
habe, war mein Onkel Karl als Nikolaus mit Bart und Mantel verkleidet mit dem
Sack voller Geschenke, der gefürchtete Mann.
Das nachfolgende Weihnachtsfest wurde immer mit Sehnsucht und
Freuden erwartet. Aus dem eigenem Waldgrundstück wurde ein großer Tannenbaum
geholt, den heimlich meine Mutter und die älteren Geschwister schmückten. Die
gute Stube, der größte Raum, nur für Gästeempfänge bestimmt, war die meiste Zeit
des Jahres verschlossen und diente nur einmal im Jahr als
Weihnachtsfeiertagsstube. Dort stand der bunt mit Lametta und Kugeln geschmückte
Weihnachtsbaum. Auf der Spitze ein goldener Stern, echte Wachskerzen, die
geheimnisvoll flackerten, unter dem Baum die einzelnen Geschenke in schönes
Papier verpackt. Das alles bildete den Rahmen für eine frohe, unbeschwerte
Familienweihnachtsfeier. Wir Kinder erwarteten ungeduldig den ersten Abendstern,
denn dann, so glaubten wir, kann das Christkind mit den Geschenken kommen. Wir
mussten uns zum Empfang des Christkindes sauber waschen, gute Sachen anziehen
und uns still verhalten. Wir lauschten auf das Klingelzeichen des Christkindes,
dann stürmten wir ungestüm in die gute Stube.
Wie groß strahlten die Kinderaugen, voller Überraschung und
Glückseligkeit, als der hell erleuchtete Christbaum mit dem gedeckten
Abendessentisch sichtbar wurde. Zuerst suchte jedes Kind sein Päckchen, packte
es schnell aus, um nachzusehen, ob das gewünschte Spielzeug auch wirklich drin
war. Meist wurden unsere Kinderwünsche erfüllt, denn wie ich schon eingangs
erwähnte, waren meine Eltern nicht arm und geizten nicht, wenn es darum ging,
Kindern eine Freude zu bereiten.
Zum Weihnachtsessen gab es mindestens drei Gänge. Vor dem Essen
wurde das Weihnachtslied "Ihr Kindelein kommet, o kommet doch all" gesungen.
Mama füllte die Festtagsteller mit einer schmackhaften Fischsuppe. Dann bekam
jedes Kind Mohnklöße, so viel es wollte. Danach wurde jedem ein Stück von der
weißen Wurst auf den Teller gelegt. Wenn das gegessen war, bekam jeder noch
Weihnachtsplätzchen und heißen Lindenblütentee serviert.
Mein Vater und die Erwachsenen tranken einen scharfen, heißen
Rum-Grog, der in sauber geputzten Kristallgläsern funkelte. Es wurde viel
erzählt, gelacht und gescherzt. Die Kerzen flackerten auf dem Baum, und wir
Kinder konnten Wunderkerzen anzünden, die ein gleißendes Licht verbreiteten. Von
den Dämpfen und Gerüchen füllte sich das Zimmer bald mit wohlriechenden Düften,
und wenn der Vater etwas leutselig das Lied: "O Tannenbaum, o Tannenbaum" und
das Lied "Alle Jahre wieder kommt das Christuskind" anstimmte, schallte es laut
von den bildergeschmückten Wänden. Es war eine helle Freude, an so einer Feier
teilzunehmen.
Nach dem opulenten Abendessen gingen die Erwachsenen und ältere
Kinder gemeinsam zur Christmette, die meist um 20 Uhr abends zelebriert wurde.
In der Kirche versammelten sich eine Unzahl von froh gestimmten Christen. Der
Kirchenchor intonierte die alten Weihnachtslieder, und alle Kirchgänger stimmten
aus voller Brust ein. Die Kirche war auch übermäßig mit lamettageschmückten
Tannenbäumen verzaubert, viele große und kleine Wachskerzen brannten, der Küster
musste aufpassen, dass keine ausgingen, oder was schlimmer gewesen wäre, wenn
etwas Feuer gefangen hätte. Wenn wir zur späten Nachtstunde meist durch tiefen
Schnee heimwärts stampften, brannten in vielen Häusern die Christbäume und
tauchten die Dorfstraße in helles Licht, was sonst nicht der Fall war. Am
zweiten Weihnachtsfeiertag gingen wir wieder in die Kirche. Danach gab es gutes
Mittagsessen meist mit Schweinebraten und Klößen und einer Hühnersuppe als
Vorspeise. Oftmals kamen am Nachmittag nahe oder ferne Verwandte, die uns
Kindern auch noch Geschenke vom Christkind brachten. Wir Kinder nahmen alles
dankbar an und waren überglücklich, solch frohe und gesunde Weihnachtsfeiertage
verlebt zu haben. Die Weihnachtsferien dauerten meist bis Mitte Januar, eine
herrliche Zeit, wenn draußen schon tiefer Schnee lag, und wir tagsüber uns mit
Schlitten vergnügen konnten. Ich kann mich erinnern, dass ich nach einem
Weihnachtsfeiertag versucht hatte, unseren großen Hofhund vor den Schlitten zu
spannen und mich ziehen zu lassen.
Das Schlittenfahren bereitete uns große Freude, wenn viele
Kinder auf einem Abhang sich versammelten, und um die Wette rodelten. Eine
Sprungschanze, über die man fahren sollte, wurde als Mutprobe gewertet. Zu
Sylvester und Neujahr war es nicht so toll. Das einzige, was mich dabei
faszinierte, war das sogenannte Christkindlschießen besser gesagt, das Neujahr
einschießen. Mein damals noch lediger Onkel Karl besaß ein 6 mm-Teschäng-Gewehr,
womit er manchmal die vielen Sperlinge dezimierte.
Am letzten Abend des Jahres stellte sich der Onkel auf einen
Hügel im Garten und schoss mit lautem Knall in die Luft. Das Echo kam von
anderen "Neujahrseinschießern" und es knallte laut bis tief in die Nacht hinein.
Neujahr war ein großer Feiertag, verbunden mit Kirchgang und gutem Essen. Zur
Faschingszeit oder Karneval, wie man es im Rheinland feiert, ging es nicht so
hochfreudig zu. Es wurde auch während der Hausfeiern gut gegessen und getrunken,
aber einen Karnevalsumzug gab es nicht. Dafür wurde in dieser Zeit oftmals ein
Schwein geschlachtet, unsere Mama backte große Schüsseln voller "Hobelspäne" und
mit Marmelade gefüllte Krapfen, die immer wieder gerne gegessen wurden. Frauen
und ältere Mädchen kamen zum gegenseitigen "Federschleißen" zusammen. Die im
Laufe des Jahres gesammelten Federn, der fast auf jedem Bauernhof gehaltenen
Gänse, wurden gemeinsam geschlissen und dabei die Dorfneuigkeiten ausgetauscht.
Mein Vater und der Knecht hackten Holz, fertigten Rechen und Besen an, oder
knüpften aus Roggenstroh Unmengen von Getreideseilen. Sie verrichteten kleine
Reparaturen an Haus, Hof und Wagen, damit alles wieder fürs neue Wirtschaftsjahr
vorbereitet war.
Der Winter war oft voller Schneeverwehungen, wir Kinder mussten
auch mithelfen, Gänge und Wege schneefrei zu schaufeln, was uns großen Spaß
bereitete. Noch mehr Spaß hatten wir, wenn der Vater den großen Pferdeschlitten
einspannte und uns Kinder im Dorf rauf und runter spazieren fuhr. Die Pferde
sollten bewegt werden, sie bimmelten mit den am Hals befestigten Glöckchen, und
wir Kinder klammerten uns auch an fremde Schlitten, um uns durch das Dorf ziehen
zu lassen, am liebsten mit angebundenem eigenen Rodelschlitten. So verging
schnell die kalte Winterzeit, und wenn die Schneeschmelze einsetzte, war das
Frühlingserwachen nicht mehr weit.

Gerhard Rieger


LikeTeilenMeldenInfo     von nichtdaemlich   am 04.12.2010 um 11:47 Uhr
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