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Beschwerdebrief von Stern-Autor WALTER

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Gefunden in HerzigesNachdenkliches

Beschwerdebrief von Stern-Autor WALTER
WÜLLENWEBER

"Liebe
Griechen!
Kennt Ihr das bei
Euch auch, eine Tante, die einem die ganze Kindheit und Jugend hindurch das
Sparschwein füttert? Beim ersten Fahrrad, dem ersten Radio, der ersten
Urlaubsreise - immer gibt sie ein paar Scheine dazu. Und dafür verlangt sie
nichts weiter als ab und zu mal ein freundliches Dankeschön. Liebe Freunde,
dies ist ein Brief von Eurer Geldtante. Keine Angst, Ihr müsst nicht Danke
sagen. Das Einzige, was wir uns wünschen, ist:Versetzt Euch mal in unsere
Lage.

Seit 1981, seit 29 Jahren, gehören wir zur selben Familie, zur EU. Kein anderes
Familienmitglied hat in dieser Zeit so viel Geld in die Gemeinschaftskasse
gesteckt wie wir, nämlich netto rund 200 Milliarden Euro. Und pro Nase hat kaum
einer so viel bekommen wie Ihr, zusammen netto fast 100 Milliarden. Rund die
Hälfte also von dem, was wir in den EUTopf gekippt haben, habt Ihr mit großer
Kelle abgeschöpft. Oder anders ausgedrückt: Rein rechnerisch haben wir
Deutschen mit den Jahren jedem von Euch Griechen, vom Säugling bis zum Greis,
über 9000 Euro geschenkt. Einfach so. War doch nett, oder?Freiwillig hat
wohl noch nie ein Volk ein anderes über einen so langen Zeitraum so großzügig
unterstützt Ihr seid fürwahr unsere teuersten Freunde.

Wie es uns dabei ging, in all den Jahren, das habt Ihr nie gefragt. Ich
vermute, auch heute brennt Ihr nicht gerade darauf, etwas über unsere Sorgen zu
erfahren. Ich erzähle es Euch trotzdem: Unsere Straßen sind so löchrig wie
antike Bauwerke, weil uns das Geld für die Instandhaltung fehlt. Bibliotheken
und Schwimmbäder werden geschlossen.Manche Städte schalten nachts jede
zweite Straßenlaterne aus, weil sie die Stromrechnung nicht bezahlen können. Im
Gegensatz zu Euren steigen unsere Löhne seit der Einführung des Euros praktisch
gar nicht mehr. Und jetzt sollen wir auch noch Euch Griechen retten. Die Sorgen
um Euch, die haben uns gerade noch gefehlt.

Ihr habt Euch unser Misstrauen redlich verdient: Im Sommer fackelt Ihr
regelmäßig dieses schöne Land ab, das Gott Euch geschenkt hat und dann ruft Ihr
nach unserer Feuerwehr, weil Ihr es nicht allein gelöscht kriegt. Ihr wollt
alle in den öffentlichen Dienst, aber keiner will Steuern zahlen. Wenn auch nur
ein Teil der Berichte stimmt, die wir in den vergangenen Wochen lesen mussten,
dann seid Ihr offenbar nur bereit zu arbeiten, wenn Ihr dafür Schmiergeld
bekommt. Vor allem Eure Ärzte und das Krankenhauspersonal langen kräftig zu.Ihr
betrügt Euch also gegenseitig, wo Ihr nur könnt. Das kann uns egal sein. Doch
Ihr betrügt auch uns. Seit vielen Jahren. Das ist uns nicht egal.

Ihr kassiert für mehr Olivenbäume EU-Subventionen, als in Euer Land passen.
Offenbar versteht Ihr doch was von Buchführung, denn um die
Stabilitätskriterien für den Euro zu erfüllen, habt Ihr Eure Bücher so
systematisch und geschickt gefälscht, dass die Brüsseler nichts gemerkt haben.
In Wahrheit habt Ihr den Euro nie verdient. Trotz Eurer erschwindelten Daten
ist es Euch seit der Einführung des Euro noch nie gelungen, die
Stabilitätskriterien zu erfüllen. Um Eure Wirtschaft größer erscheinen zu
lassen, habt Ihr Euch 2006 einen hübschen Taschenspielertrick einfallen lassen
und kurzerhand die Erlöse aus Geldwäsche, Rauschgifthandel und Schmuggel in die
jährliche Wirtschaftsleistung Eurer stolzen Nation angerechnet.

Über Jahrzehnte mehr Geld ausgeben, als man sich erarbeitet, wie
selbstverständlich auf Kosten von anderen zu leben, laufend betrügen und
tricksen - das kann nicht ewig gut gehen. Irgendwann bricht das Kartenhaus
zusammen. Irgendwann ist jetzt. Streng genommen seid Ihr pleite.

Macht Euch keine Illusionen. Wenn Angela Merkel verspricht, "Griechenland
wird nicht allein gelassen", dann geht es unserer Kanzlerin und uns
Deutschen nicht mehr um Euch Griechen. Unsere Sorge gilt allein unserer eigenen
Zukunft.
Das Unglück ist nur: Wir sind an Euch gekettet.Wenn Ihr untergeht, zieht
Ihr uns mit unter Wasser. Zum Beispiel durch die 300 Milliarden Schulden, die
Ihr mit den Jahren aufgetürmt habt. Rund 30 Milliarden davon gehören den
Sparern bei deutschen Banken, in Form von Staatsanleihen. Ob Ihr das jemals
zurückzahlen werdet? Euretwegen geht der Euro in die Knie.Uns droht die
Inflation.
Das bedeutet: was deutsche Sparer auf dem Sparbuch oder in Lebensversicherungen
für die Zukunft zurückgelegt haben, wird immer weniger wert.Wegen
Euch.Solche Gedanken sind Euch natürlich fremd, denn sparen oder
investieren ist nicht Euer Ding. Ihr haut die Euros lieber raus.
In der EU seid Ihr Griechen das Volk, das von seinem Geld den größten Anteil
für den Konsum verprasst.

Die Regierungschefs der EU haben zwar beschlossen, dass Ihr keine direkten
Finanzhilfen bekommen sollt.Erst mal. Doch Ihr braucht Hilfe. Und in der
EU bedeutet Hilfe am Ende immer Geld, genauer: unser Geld.

So langsam wird uns Deutschen klar: Zuerst mussten wir die Banken retten, jetzt
müssen wir Euch Griechen retten und schließlich alle Länder mit einer Schweinewirtschaft
-die "PIIGS", Portugal, Italien, Irland, Grieche land, Spanien. Ein
Staatsbankrott eines dieser Länder, darin sind sich die Experten ausnahmsweise
einig, wäre eine Tragödie, die selbst die Bankenkrise wie ein Lustspiel
erscheinen ließe.

Kluge deutsche Staatsrechtler haben schon vor der Einführung des Euro gewarnt:
Die Wirtschaftsunion kann ohne die politische Union nicht funktionieren. Sie
hatten Recht. Jetzt erkennen wir das dramatische Demokratie-Defizit.
Wir Deutschen sind von den Entscheidungen der Regierung Griechenlands abhängig.
Aber wir können sie nicht wählen. Ihr Griechen könnt sie wählen, aber Ihr habt
ganz andere Interessen. Wir wollen, dass Euer Ministerpräsident Georgios
Papandreou sein Sparprogramm durchzieht. Mindestens.
Besser wär's, wenn er beim Reformieren noch einen Zahn zulegte.
Aber Ihr wollt das ganz offensichtlich nicht.Ihr macht, was Ihr immer
macht: Ihr streikt.Letzte Woche der öffentliche Dienst, nächste Woche
alle, Generalstreik.
Liebe, teure Griechen, wenn Ihr nächste Woche auf die Straße geht, dann
streikt, dann demonstriert, dann protestiert Ihr nicht gegen Eure Regierung,
sondern gegen uns. Dem Zorro, der Euch stets gerettet hat und weiter retten
soll, dem versetzt Ihr einen Tritt zwischen die Knie. Liebe griechische
Finanzbeamte, geht nächste Woche bitte nicht streiken, sondern treibt endlich
mal dieSteuern Eurer Millionäreein, von denen Ihr bislangfürs
Wegschauen so fürstlich entlohnt werdet.

Liebe griechische Ärzte, geht nächste Woche bitte nicht streiken, sondern
behandelt Eure Patienten.Von jetzt an, ohne vorher um einen Geldumschlag
zu bitten. Und dannversteuert einfach Euer Einkommen.Ja, dann könnt
Ihr Euch den nächsten Porsche erst ein Jahr später bestellen. Ihr werdet es
überleben.

Liebe Rentner Griechenlands, wenn bei uns jemand sein ganzes Leben lang
gearbeitet hat, bekommt er nicht mal 40 Prozent seines durchschnittlichen
Einkommens als Rente. Damit sind wir auf dem viertletzten Platz der
OECD-Länder. Und wer ist auf Platz eins?Richtig: Ihr.Über 95
Prozent Eures durchschnittlichen Einkommens gönnt Ihr Euch als Rente. Um das
hinzukriegen, greift Ihr wieder in die Trickkiste: Ihr bezieht einfach die
Rentenhöhe nicht aufs ganze Leben, sondern nur auf die letzten drei bis fünf
Arbeitsjahre.Darum ist es bei Euch üblich, dass der Arbeitgeber den Lohn
am Ende noch mal kräftig erhöht.

Von dem Geld, mit dem wir Euch fast 30 Jahre lang gesponsert haben, gönnt Ihr
Euch eine komfortablere Altersversorgung, als wir uns leisten
können.Findet Ihr das gerecht? Also, liebe Rentner in Griechenland: Ihr
seid die Generation, die diese Misere verursacht hat.Jetzt haltet mal die
Füße still, geht nicht demonstrieren, und lasst Eure Regierung die Sparpläne
durchziehen.

Und, liebe Bürger Griechenlands, redet Euch nicht damit heraus, Eure Politiker
seien allein schuld an der Katastrophe.Ihr habt doch die Demokratie
erfunden und solltet wissen, dass Ihr, das Volk, regiert und damit
verantwortlich seid.
Niemand zwingt Euch, Steuern zu hinterziehen, Schmiergelder anzunehmen, gegen
jede vernünftige Politik zu streiken und korrupte Politiker zu wählen.
Politiker sind Populisten. Die machen genau, was Ihr wollt.Sicher werdet
Ihr jetzt einwenden:
Ihr Deutschen, Ihr seid doch auch nicht viel besser.Stimmt. Ein Rentensystem,
dem kaum einer noch traut, Beamtenpensionen, von denen niemand weiß, wie sie in
der Zukunft bezahlt werden sollen, ein Steuersystem, das so aussieht, als
hätten erfahrene Hinterzieher es sich ausgedacht, und vor allem ein
Schuldenberg, der irgendwann ins Rutschen gerät und alles unter sich begräbt
-genau diese Probleme haben wir auch.Und Ihr seid uns auf diesem Pfad der
Untugend nicht so weit voraus, wie viele glauben.Früher habt Ihr Griechen
uns den Weg gewiesen, habt der Welt die Demokratie, die Philosophie und das
erste Verständnis für Nationalökonomie beigebracht.Jetzt weist Ihr uns
wieder den Weg.

Nur ist es diesmal der Irrweg. Da, wo Ihr
seid, geht's nicht weiter."

Herzliche Grüsse


LikeTeilenMeldenInfo     von gina   am 13.10.2011 um 21:02 Uhr
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